Donnerstag, August 17, 2006

Der blinde, braune Käfer der es so schwer hat.

Es ist ein armes, kleines Schabentier das der Wissenschaftler Oscar Scheibel in den dreiziger Jahren entdeckt. Blind, braun und in einer Höhle lebend. Damit jeder sich das Tier gut merken kann, nennt er es nach seinem Idol "Adi" Adolf Hitler, von Freunden liebevoll der "Fühler" genannt. Das kommt gar nicht so selten vor, dass Menschen ihr liebstes Getier nach Idolen aus der Jugendzeit benennen. Ich erinnere mich da mit Graus an den Golden Retriever, den sein Herrchen Gandhi rief. Also Gandhi als Name für einen Hund, das geht so was von gar nicht. Mein Goldfisch heißt ja auch nicht Malcolm X. "Aber Malcolm, was hast Du denn gegen all die hellen Fische im Aquarium?". Abgesehen davon, das ich überhaupt keinen Goldfisch habe: Es ist unintelligent so etwas zu tun! Na, wie auch immer. Zurück zu unserem Adi, dem blinden, braunen Käfer, der fortan mit dem Namen Hitlerkäfer leben musste. Heute lebt dieses Tier in Höhlen in Slowenien. Da jedoch blinde, braune Menschen sich gerne in diese Höhlen begeben, um die Käfer als Andenken mit nach Hause zu nehmen, sind sie jetzt im Bestand bedroht. Blöd nur, das dies Niemanden interessiert. Zumindest keinen Wissenschaftler, denn Adi der Käfer ist ein recht gewöhnlicher Käfer und damit von keinem hohen Interesse.
Der blinde, braune Käfer der es so schwer hat.

Die berühmten Höhlen in Slowenien. Hier lebt er vermutlich, der Adi.

Sonntag, August 06, 2006

oder eben sechs einhalb


Von Hamburg nach Buxtehude dauert es laut http://www.db.de/ achtundvierzig Minuten, von Frankfurt nach Leipzig drei Stunden fünfundzwanzig, von Weimar nach Stuttgart schon auch mal vier Stunden sechszehn. Doch spätestens seitdem uns in unterschiedlichsten Reiseführern nette Alternativen zum konventionellen Reisen aufgezeigt werden, wissen wir, dass das Einfache nicht immer dem Komplizierten vorzuziehen ist. Ein Autor dieser Anders-Reisen-Bücher lädt dazu ein, seine Freunde samt ihrer Wohnungsschlüssel in seine Küche zu versammeln, ihre Schlüssel in einen Topf zu werfen und jeden einen heraus ziehen zu lassen. So wird entschieden wer die nächsten Tage in wessen Wohnung verbringt.
Etwas nach „Wir sind offen für neue Dinge in unserer Beziehung“ klingt der Vorschlag, mit dem Partner in eine Stadt zu fahren, sich dort zu trennen, nicht im selben Hotel zu übernachten und das normale Urlaubsprogramm unabgesprochen durch zu ziehen. Irgendwann (meist schnell) trifft man sich wieder. Denn genauso wenig wie die neuen Dinge in die Beziehung kommen, kann man so tun als wisse man nicht welche Orte den anderen interressieren.
Fast genauso gewagt war nun unser Versuch am Sonntag nicht den Verlockungen der ICE-Verbindung Leipzig-Frankfurt zu verfallen, sondern total alternativ-studentisch das Screen-Touch-Feld des sogenannten „Schönes-Wochenend-Tickets“ mit einem Fingerabdruck zu beglücken. Unsere Suche nach weiteren Mitreisenden zwecks Senkung des Preises schlug fehl, so dass wir zu zweit blieben. Noras Angst vor Orten ohne Toilette führte dazu, dass ich noch Zeit hatte mir einen Kaffee zu kaufen und die Fußballfans auf dem Leipziger Bahnhof zu beobachten, die von gefährlich-wirkenden aber dennoch heroisch-anmutenden Polizisten begleitet wurden. Ja, auch der Polizist trägt LOK-Leipzig-Unterwäsche drunter. Wir waren dann trotzdem erleichtert, als wir feststellten, dass wir erst mal nicht in die selbe S-Bahn einstiegen wie die Horte in ungesunden Mengen ausgeschütteten Testosterons. Noch erleichterter war Nora als sie bemerkte, dass die S-Bahnen im Osten tatsächlich fortschrittlicher sind als die im Westen: nicht nur sprechen die Schaffner eine Sprache die als Weiterentwicklung des Hochdeutschen verstanden werden kann, nein, auch Klos in S-Bahnen schmücken das Ansehen des unterschätzten Ostens. Den Eindruck eines Fortschritts machten die Jungs im Schüleralter zunichte, die in Leipzig Gohlis zu uns ins Abteil stiegen. Nicht dass sich unsere Abneigung schon mit dem ersten etwas lauteren Wort klar auf sie bezog, besonders erfreulich war ihre Art über andere Schüler zu sprechen. „Ja, die Tini wurde ja jetzt abgewählt, weil die is’ ja Ausländerin. Das find ich schon nicht so ok….weil die ja ein Mädchen ist, bei Jungs ist das schon richtig.“ Der Sachse würde sagen: Welgöm to Schörmany, we wisch you a pläsend ste and good luck with se breuwn rowdies.
Nora und ich einigten uns auf verminderte Denkfähigkeit aufgrund des fortgeschrittenen Pubertäts-Stadiums. Unsere neuen Freunde konnten uns von Halle an dann leider nicht weiter begleiten. Wir hätten uns gerne mit ihnen weiter so tiefgründig unterhalten, wenigstens haben wir vorher noch ein paar Handy-Klingeltöne getauscht.
Abgesehen von dem blonden, weiblichen Wesen, das die ganze Fahrt von Halle nach Kassel hinter mir in ihr Handy säuselte, während ich versuchte zu schlafen, könnte man diesen Teil der „Stiehl-mein-Wochenend-Ticket“-Reise als angenehm bezeichnen. Eigentlich habe ich aber auch schon wieder vieles verdrängt. Der Anteil der „Schatz“, „Sei jetzt nicht wieder so blöd“, „Ich mache mir aber jetzt Sorgen“ und „Vielleicht würde es mir helfen das Umfeld zu wechseln“ in ihrem öffentlich abgehaltenen Krisengespräch war einfach überdosiert.
Ab Kassel fing dann auch richtig die Jagd auf Plätze an. Das Gefühl, es gebe tatsächlich viele Leute, die sich in diesem Land das Zugfahren nicht leisten können, schlich sich ein. Aber als alternativ-studentisch Reisende konnten wir den Geruch der sich mit jedem Husten und Klogang im Zug, nein Regional-Express, ausbreitete; die vielen lärmenden Familien und die nervigen Omas die ihr Mäxchen überglucken als wertvolle Erfahrung abbuchen. Das nächste Mal dann vielleicht doch wieder ne Mitfahrgelegenheit die billiges, lautes Techno hört.
Fragt mich bitte nicht wer das auf dem Bild ist.

Samstag, August 05, 2006

Die Entdeckung der Langsamkeit.


Lange Autobahnfahrten kennt ja jeder: von Hamburg nach Buxtehude, von Frankfurt nach Leipzig, oder eben von Weimar nach Stuttgart. Vorbeirasende Landschaften, blaue Schilder die Ausfahrten ankündigen, Rastplätze auf denen die Toilettennutzung 50 Cent kostet und der Kaffee wässrig schmeckt. Im Gedächtnis bleiben vielleicht ein paar seltsame Namen von irgendwelchen kleinen Ortschaften, an denen die Autobahn zufällig entlang gebaut wurde. Und schwupps, ist man schon angekommen, völlig kaputt und müde, obwohl man eigentlich die ganze Zeit nur geradeaus gefahren ist. Das muss nicht sein, dachten wir uns, und begaben uns auf die Reise. Im taubenblauen "Piaggo Apecar"-Dreirad von Janosch. Um zehn Uhr ging es in Weimar los, vollgetankt mit Benzin und Abenteuerlust. Und so zog Thüringen an uns vorbei, bzw. schlich vorbei, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 km/h. Blumenpflücken während der Fahrt verboten! So zuckelten wir dahin, über wunderschöne Landstraßen, vorbei an Wiesen und Feldern. Zum Mittagessen hielten wir im Städtchen Schleusingen und schlugen uns die Bäuche voll, um Kraft für den zweiten Teil der Reise zu haben. Wo wir auch vorbeikamen, überall zauberte unser kleines Gefährt ein Lächeln auf die Gesichter von Groß und Klein. Nur ein einziges Mal wurden wir von einem ignoranten Vierrad-Fahrer angehupt, als wir mal wieder im zweiten Gang mit 25 km/h eine Steigung erklommen.
Als wir schließlich nach 10 Stunden am Abend in Stuttgart ankamen, waren wir -nein!- eben nicht müde und kaputt wie nach einer langen Autofahrt, sondern eher zufrieden und schläfrig wie nach einer Fahrradtour. Wir hatten Orte gesehen, die wir sonst nur von Autobahnschildern kannten und deren Bewohner hatten uns fröhlich zugewinkt. Ich empfehle sie jedem weiter: die Entdeckung der Langsamkeit!

Freitag, August 04, 2006

Ist das vielleicht Nature-Tom?!